wie alles begann ….
Eine Weltreise auf dem Motorrad und ein Spendenprojekt mit vielen engagierten Helfern
Ein Jahr reisen, den Alltag hinter sich lassen, fremde Welten erleben. Wer träumt nicht davon?! Esther Leist und Markus Schraermeyer, zwei Speyrer Hörgeräteakustiker, haben sich diesen Traum erfüllt. Mit Motorrädern brachen sie auf – in Richtung Karpaten, bis zum Schwarzen und zum Kaspischen Meer, und immer weiter bis nach Indien und Nepal. Doch es ging ihnen nicht nur um Fernweh, um Abenteuer und schöne Erlebnisse. In Nepals Hauptstadt Kathmandu engagieren sie sich auch für besseres Hören – gemeinsam mit zahlreichen Unterstützern wie den Firmen HörPartner und der Hören Leist GmbH aus Speyer.
»Als es mit den Plänen für unsere Reise ernst wurde, dachten wir vor allem: Was für ein Glück! Wir würden ein Jahr lang durch die Welt fahren, in den Tag hinein leben, frei entscheiden, was wir machen wollen, Land und Leute kennen lernen und viele schöne Dinge mehr«, erinnert sich Hörakustiker Markus Schraermeyer. »Aber uns überkam auch ein komisches Gefühl: Ein ganzes Jahr ohne Arbeit, ohne wirkliche Verpflichtung? – So kamen wir auf die Idee, ein eigenes Hilfsprojekt zu starten, um es mit unserer Reise zu verbinden. Und natürlich lag es nahe, dafür unser fachliches Know-how zu nutzen.«
Esther Leist und Markus Schraermeyer beginnen, nach einer geeigneten Form für ein solches Engagement zu suchen. Doch die Recherche erweist sich als schwierig. Es muss eine Organisation in einem Land irgendwo auf der Strecke gefunden werden. Diese Organisation soll nicht profitorientiert arbeiten, und sie soll sich speziell für hörgeschädigte Menschen einsetzt.
»Endlich fanden wir ein geeignetes Projekt – die Nepal Association of the Hard of Hearing(4) (NAHOH) in Kathmandu«, so Schraermeyer. »Die medizinische Grundversorgung der nepalesischen Bevölkerung ist nach Einschätzung der WHO völlig unzureichend. Auf 10.000 Einwohner kommen in Nepal gerade mal zwei Ärzte. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat keinen ausreichenden Zugang zu den wichtigsten Medikamenten und Hilfsmitteln. Das gilt natürlich auch bei der Hörgeräte-Versorgung. Besonders betroffen sind junge schwerhörige Nepalesen. Sie haben oft keine Chance, ihre Kommunikationsstörung zu überwinden, einen Beruf zu lernen und ihr Leben selbstbestimmt zu meistern. Aus Mangel an Hilfe teilen sie zumeist das Los der Gehörlosen. Sie leben mehr oder weniger jenseits lautsprachlicher Kommunikation.«
Hörgeschädigten Nepalesen zu besserem Hören und zu neuen Perspektiven zu verhelfen, das ist erklärtes Ziel von NAHOH, einem Verein, den der hörgeschädigte Beamte Macha Bhai Mahrjan 1996 ins Leben rief. Und Mahrjan ist begeistert, als sich die beiden Hörakustiker aus Speyer bei ihm melden. Es entsteht die Idee, vor Ort ein dringend benötigtes Otoplastik-Labor zu schaffen und die Mitarbeiter von NAHOH für ein selbständiges Arbeiten in diesem Labor zu schulen. Die Hilfe aus Deutschland soll auf jeden Fall nachhaltig sein.
Also waren zwei Dinge zu planen – eine Weltreise und ein Spendenprojekt. Für die Reise kaufen die beiden Akustiker zwei BMW Motorräder und rüsten diese für lange Wegstrecken auf. Die gemeinsame Wohnung kündigen sie. Statt touristischem Luxus würde es ein Zelt und eine Wanderküche geben.
Mindestens ebenso aufwendig ist es, das Projekt in Kathmandu anzugehen. Über betterplace.org werben sie mit großem Erfolg um Spendengelder. Auch die Hören Leist GmbH aus Speyer und Hörpartner, bis dato Arbeitgeber der beiden, würde Reise und Hilfsprojekt vielfältig unterstützen. Schließlich kommt es zur Gründung eines eigenen Vereins, des „hören helfen e.V.“
Gut ein Jahr braucht die Vorbereitung, bis sich Esther Leist und Markus Schraermeyer tatsächlich auf ihre Maschinen schwingen und in Richtung Kathmandu aufbrechen. Im September 2011 geht es los – über Österreich, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, dann quer durch die Türkei. Es folgt der riskanteste Streckenabschnitt durch den Iran, Beluchistan und Pakistan, der im Eiltempo in einem Konvoi absolviert wird. Weiter geht die Fahrt quer durch das nördliche Indien. Mitte Januar dann endlich die Ankunft in Nepals Hauptstadt.
»Hier bezogen wir ein Apartment, nicht allzu weit entfernt von der Earclinic von Macha Bhai«, so Markus Schraermeyer. »Doch bevor wir mit unserer eigentlichen Arbeit starten konnten, vergingen Wochen. Unsere gesamte Labor-Ausrüstung lag beim nepalesischen Zoll. Man wollte zich Formulare und Stempel von uns, ehe wir die Sachen tatsächlich in Empfang nehmen konnten.«
Unterstützt von ihren Gastgebern begeben sich die beiden Akustiker auf einen mühevollen Weg durch das Dickicht der Bürokratie. – »Und wir lernten Kathmandu kennen – eine Stadt wie ein Moloch. Dreckig, staubig, laut, stinkend. Der größte Teil der Menschen dort ist bettelarm. Doch zugleich ist die Stadt voll von faszinierenden Orten – bezaubernde Tempel, Schreine, Stupas und Wohnhäuser, die Jahrhunderte alt zu sein scheinen; mit geschnitzten Fenstern und Türen, dahinter lächelnde Kindergesichter.«
Vor allem die Einwohner der Stadt haben es den beiden Weltreisenden angetan. – »Die Nepali sind ein dermaßen warmherziges Volk. Jeder lädt uns zum Essen ein und ist uns bei unseren Besorgungen behilflich«, schreibt Schraermeyer in seinem Reise-Blog. Und er berichtet vom kleinen Mädchen Luna, das nun endlich seine ersten Hörgeräte bekommen soll – sobald die Zollbehörden es zulassen.
Nach viereinhalb Wochen ist es endlich soweit. Der Zoll gibt die Laborausrüstung frei, und die beiden Hörakustiker können loslegen. Bis dato hatten sie eifrig audiometriert und Ohrabdrücke genommen. Macha Bhai Mahrjan, der sowohl die nepalesische Gebärdensprache als auch Englisch beherrscht, hilft ihnen bei der Verständigung. Nun geht es endlich an die Labor-Arbeit. Doch wiederum gibt es Probleme.
»Strom gibt es in Kathmandu acht Stunden pro Tag. In der restlichen Zeit bekommt man Strom nur aus LKW-Batterien, die während der Stromphase aufgeladen werden. Das reicht für ein paar Lampen oder einen Computer – aber nicht für ein Labor. Also saßen wir gemeinsam mit Keshab, einem Mitarbeiter von NAHOH, täglich ab sieben im Labor und frästen wie wild. Doch immer, wenn es gerade gut lief, war der Strom wieder weg. Das war extrem frustrierend.«
Zur gleichen Zeit läuft die Unterstützung für das Hilfsprojekt im fernen Deutschland weiter. Jürgen Leist von der Hören Leist GmbH und Percy Schöneck von den Berliner HörPartnern, wollen ebenfalls Richtung Kathmandu aufbrechen, um den Aufbau des Labors zu unterstützen.
Spenden-Hörgeräte werden gesammelt. »Wir haben überwiegend Power-Geräte ausgewählt, die in Nepal dringend gebraucht werden; dazu noch vier Speedlinks und Kabelsätze für die problemlose Anpassung mit der Software«, so der Geschäftsführer der Hören Leist GmbH. »Spendenprojekte wie dieses unterstützen wir seit Jahren immer wieder gern. Wir helfen, wo immer wir helfen können.«
Inzwischen haben Esther Leist und Markus Schraermeyer eine Lösung für ihr Stromproblem gefunden: Ein Generator wird angeschafft. Und der erweist sich als wirklich lohnende Investition – nicht zuletzt für die so genannten Ear-Camps, bei denen die Mitarbeiter von NAHOH über Land fahren, um sich um hörgeschädigte Menschen zu kümmern.
Das Labor läuft nun ganztags auf vollen Touren. Und dass zwei deutsche Hörgeräteakustiker in Kathmandu sind, spricht sich herum wie ein Lauffeuer. Aus allen Landesteilen Nepals reisen Hörgeschädigte an, um sich von Esther Leist und Markus Schraermeyer versorgen zu lassen.
»Die Anpassungen hier sind mit unserer Arbeit zu Hause nicht zu vergleichen«, so Schraermeyer. »Die Wertigkeit ist eine andere. Ausnahmslos alle, die wir hier versorgen, sind hochgradige bis an Taubheit grenzende Hörgeschädigte. Die hätten ohne unsere Hilfe keinen Zugang zu einem besseren Hören. Ihnen das zu ermöglichen, ist schon ein großartiges Erlebnis. Und es macht uns wahnsinnig stolz.«
Ein besonderes Erlebnis sind die regelmäßig stattfindenden Ear-Camps in anderen Teilen des Landes, zu denen die beiden Akustiker mehrmals mitfahren. – »Das sind oft richtige Abenteuer«, so Markus Schraermeyer. »Einmal, auf der Fahrt zu einem völlig abgelegenen Ort, blieb zum Beispiel der Bus mit den Ärzten und allem Equipment im Schlamm stecken. Also transportierten wir beide den Rest der Strecke Audiometer und Medikamente auf unseren Motorrädern, während die Ärzte durch den Schlamm hinterher wateten.«
Neben der Arbeit im Labor geht es in ein kleines Dorf in der Provinz Darding, wo sich die einzige so genannte Taub-Stummen-Schulklasse des größten nepalesischen Bundesstaates befindet.
»Diese Klasse ist eine kleine, eingeschworene Gemeinschaft von Kindern, fast wie eine Familie. Sie leben und lernen dort unter einfachsten Bedingungen, und sie müssen aus Budget-Gründen gerade um den Fortbestand ihrer Gemeinschaft fürchten«, berichtet Markus Schraermeyer. »Die Besuche in dieser Schule waren herzzerreißend. Die Jungen leben zusammen mit dem Hausmeister in der Schul-Küche, die Mädchen teilen sich vier Betten im Klassenraum. Alles ist absolut provisorisch. Gemeinsam mit der Verstärkung aus Deutschland haben wir auch dort zahlreichen Kindern Hörgeräte angepasst. Wir wollen darüber hinaus versuchen, Mittel aufzutreiben für ein kleines Schulhaus, das den Kindern eine neue Heimat bietet.«
Von der Begegnung mit der kleinen Schulklasse sind alle Helfer aus Deutschland sichtlich beeindruckt. – »Nach den Monaten der Vorbereitung, in denen wir den Verein gegründet und die Spenden organisiert hatten, war der herzliche Empfang dort fast ein unwirklicher Moment«, so Jürgen Leist. »Mit einem Mal saßen wir tatsächlich zwischen diesen Kindern, die uns in den Wochen zuvor auf Fotos und in den Blog-Berichten begegnet waren. Wir passten ihnen Hörgeräte an. Und ihnen helfen zu können, das war ein großartiges, erfüllendes Gefühl.«
Fast alle Kinder in dieser sowie in einer weiteren Schule in Chitwan werden von den Helfern aus Deutschland erstmals mit Hörgeräten versorgt. Und nur selten ist kein Power-Gerät nötig. – »Um unter den sehr einfachen Gegebenheiten, nur mit dem Nötigsten ausgestattet, Hörgeräte anpassen zu können, mussten wir unsere Berufserfahrung und all unsere Kenntnisse einbringen«, so der Geschäftsführer der Hören Leist GmbH. »Ich denke, intensiver lässt sich kaum erleben, welchen Wert der Beruf des Hörgeräteakustikers hat – unter solch bescheidenen Bedingungen erstmalig Hören zu ermöglichen, und zu sehen, was das für die Menschen bedeutet. Immer wieder gab es Augenblicke höchster Emotionalität, die niemanden von uns kalt ließen. Und am aller härtesten war, dass wir einigen wenigen Kindern nicht helfen konnten, weil ihr Hörstatus das einfach nicht zuließ.«
Unter den Geräten, die während der Hilfsaktion angepasst wurden, befanden sich über 100 neue Highpower-Geräte aus dem Spenden-Paket der Hören Leist GmbH. Mittlerweile ist Leist wieder nach Deutschland zurückgekehrt, und auch die beiden Weltreisenden befinden sich auf der Heimfahrt. Nach einem Zwischenstopp im Bangkok soll es über Indonesien, Sibirien, die Mongolai und Kasachstan wieder Richtung Deutschland gehen. Durch die Zusammenarbeit mit NAHOH ist sichergestellt, dass all diejenigen, die mit Spendengeräten versorgt wurden, auch weiterhin betreut werden. Keshab, der Audiologe vor Ort, ist nun selbst in der Lage, Ohrpass-Stücke zu fertigen. Er wird die Arbeit der deutschen Helfer fortsetzen und bereits an die Vorbereitung weiterer Einsätze gehen.
»Wir haben nur einen ganz winzigen Teil von dem geschafft, was vor Ort getan werden könnte«, so noch einmal Markus Schraermeyer. »Deshalb wünschen wir uns weitere Spenden für unseren Verein. Wir sind dankbar für jede Euro und offen für Helfer, die beim nächsten Mal mit uns mitreisen wollen.«
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Aktuelles
Esthers Geburtstagswunsch (2023)
Aktuell benötigen laut Keshab 60 nepalesische Kinder eine Hörhilfe. Diese Kinder leiden unter einem leichten bis hochgradigen Hörverlust und besuchen eine Schule für schwerhörige Kinder in Sindhuli, in der Nähe von Kathmandu. Um ihnen die dringend benötigte Hörhilfe zur Verfügung stellen zu können, benötigen wir spezielle Kinderotoplastiken, die wir in unserem vertrauten Labor in Paderborn…